Zeitungsartikel in der VAZ vom 6.3.2024: Vorstellung von Sascha Howind
„Alle müssen mit rein“
Der neue Wabe-Geschäftsführer Sascha Howind zu Protesten für Demokratie
VON KATRIN PREUSS
Der promovierte Sozialwissenschaftler Sascha Howind führt jetzt die Geschäfte von Wabe, als Nachfolger von Rudi Klemm. Foto: Preuß
Verden – Seine Feuertaufe hat er bestanden. Vor geschätzten 3 000 Zuhörern bei einer Demo gegen Rechts eine Rede halten, das war selbst für Sascha Howind eine neue Erfahrung. Da war er gerade mal vier Wochen im Amt als neuer Geschäftsführer des Fördervereins von Wabe, dem Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie und Zivilcourage. Oder besser fast im Amt, denn Vorgänger Rudi Klemm war da ja noch nicht verabschiedet.
Auf den Sozialpädagogen folgt nun mit Sascha Howind ein Sozialwissenschaftler. Mit Doktortitel. Promoviert hat der 48-Jährige 2011 zur Sozialpropaganda im Dritten Reich rund um Aktivitäten von „Kraft durch Freude“. Das Thema Nationalsozialismus habe ihn schon als Schüler interessiert und ziehe sich wie ein roter Faden durch seine Vita, sagt er.
Howinds Lebenslaufs ist aber um einiges bunter. Der gebürtige Hannoveraner war Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall, fungierte als deren Pressesprecher für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, war Referent der Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung, verantwortete als Chefredakteur die Inhalte der Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft.
Er weiß zu formulieren, Dinge zu benennen, sie auf den Punkt zu bringen. Nicht nur in aller Ausführlichkeit, sondern auch mittels knapper, klarer Ansagen. Letzteres hat er spätestens als Aushilfs-Schwimmmeister im Freibad gelernt.
Eine Station, die Sascha Howind keineswegs unterschlagen will. Er spricht davon mit Stolz, kindlicher Freude und einer gewissen Spitzbübigkeit. Und er schlägt einen großen Bogen vom Mikrokosmos am Beckenrand zur Gesellschaft. Der könne man in einem Freibad „ganz gut den Puls fühlen“, sagt er lächelnd.
Die Kundgebung Ende Januar auf dem Rathausplatz in Verden markierte das Ende von dem, was Sascha Howind „Phase 1“ nennt, das „Gucken, wie er’s (Anm. Rudi Klemm) macht“. Jetzt, in Phase 2, liegt es in seiner Verantwortung, wie Wabe agiert.
Zurückgreifen kann der 48-Jährige dafür auf ein ebenso breites wie stabiles Netzwerk, das auch wertgeschätzt werde, wie Howind bereits festgestellt hat. Nun gilt es, die Verbindung zu nutzen, neue zu knüpfen, um Wabe für die Zukunft aufzustellen, diese Institution weiter wachsen und gedeihen zu lassen.
Vorhandene Fördertöpfe erweitern, neue finden und anzapfen, um weiterhin demokratiefördernde, die politische Bildung voranbringende Projekte in Vereinen, Schulen und anderen Institutionen zu finanzieren, das wird nun, nach Rudi Klemm, auch Sascha Howind beschäftigen.
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, getragen von Wabe, wird bereits personell verstärkt. „Perspektivisch wünsche ich mir das auch für uns“, nennt Howind ein weiteres Aufgabenfeld, das es zu beackern gilt. Denn die Arbeit des Vereins ist angesichts dessen, was gerade in Deutschland passiert, gewachsen.
Die „Bedrohungslage für unsere demokratische, vielfältige Gesellschaft“ ruft ein „kollektives Nein“ hervor. So definiert er die aktuelle Situation. „Und das wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen“, glaubt er und freut sich gleichzeitig über die vielen Anfragen, die bei Wabe eingehen. „Ich glaube, dass die Basis von denen, die etwas machen wollen, größer wird.“
Das, was Correctiv-Journalisten über das Geheimtreffen Rechtsgesinnter nahe Potsdam veröffentlichten, habe ihn inhaltlich nicht überrascht, sagt der Wabe-Geschäftsführer. Nicht gerechnet habe er jedoch mit der Reaktion darauf. „Toll, dass wir diese Zivilgesellschaft haben“, sagt er voller Anerkennung über die Proteste, getragen von einer „ungeheuren gesellschaftlichen Breite“.
Für die Arbeit von Wabe bedeute das, „dass man dieser neuen Situation Rechnung trägt“, meint Howind. „Alle müssen mit rein“, gibt er vor als Devise, dieses Engagement jetzt nicht abreißen zu lassen.
In diesem Zusammenhang müsse diskutiert werden, ob der etablierte Slogan „Gegen Rechts“ noch zeitgemäß sei. Schließlich gebe es Menschen, die sich als rechts-konservativ verstünden, aber sich bekennen zu den bestehenden Werten, zu Demokratie und Freiheit. Daher wünsche er sich, „wenn diese Bewegung weitergeht, dass wir auf diese Stempel verzichten“.
Wabe betrachtet Sascha Howind dabei als eine Art begleitende Instanz. Bezogen auf die Demonstrationen heißt das, die Gruppen, die sich daraus gründen, zu begleiten, sie zu ermutigen, zu moderieren. Was seine aktuelle Rolle angeht, bemüht der 48-Jährige den Vergleich mit dem Schwimmmeister. „Ich gehe ums Becken, bei 30 Grad, es sprechen mich ganz viele Leute an. Und ich sehe, wo ich eingreifen muss.“
„Demokratie lebt vom Mitmachen“, betont Sascha Howind. Das beginne im Lebensbereich eines jeden Einzelnen, nimmt er die Menschen in die Pflicht, sich für Bestehendes und gegen Hetze und Menschenverachtung einzusetzen. „Als Gegenpol zu, über die Regierung schimpfen’“, sagt er verschmitzt. Sind wir, ist die Demokratie denn überhaupt noch zu retten? Sascha Howind muss kurz überlegen und sagt dann: „Vor einem Jahr hätte ich gesagt: Eher nicht.“ Heute könne er das nicht mehr so beantworten. „Weil’s von den Leuten selber abhängt. Die großen Demos geben jedenfalls Anlass zur Hoffnung.“