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Flucht und Vertreibung - Eissel nach dem 2. Weltkrieg: Vortrag von Günter PALM

12 Millionen Geflohene vor 70 Jahren - Auswirkungen vor Ort

1949 - Schulausflug zum Badener Berg; Kinder (Geburtsjahrgänge 1939 - 1942) aus Eissel und aus den Flüchtlingsfamilien vereint auf dem Gruppenfoto (15 Kinder aus Flüchtlingsfamilien). Foto: Heimatverein Eissel e.V.

Der Vortragsabend von Günter Palm im Alten Schulhaus Dauelsen eröffnet die doz20-Reihe im Jahr 2022.
Flucht und Vertreibung am Beispiel von Eissel“ blickt auf die Zeit vor gut 70 Jahren zurück und könnte thematisch kaum aktueller sein.

Grundlage für den Vortrag von Günter Palm ist sein vor wenigen Wochen herausgegebenes Buch, das sich am Beispiel des in der Allerniederung gelegenen kleinen Dorfes Eissel mit der Problematik des Zustroms von etwa 12 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges befasst.
Im Jahre 1948 entfielen auf die Gesamteinwohnerzahl Eissels (307 Personen) 138 Flüchtlinge und 169 Einheimische. Allein im März 1945 kamen nachweislich 13 Familien mit insgesamt 56 Menschen in langen Trecks an. Recherchen ergaben, dass ebenfalls im März 1945 weitere fünf Familien mit mindestens 20 Personen in Eissel strandeten, die das Dorf jedoch bereits ein Jahr später wieder verlassen hatten.
Die damals Erwachsenen, die von ihrer Flucht und der Ankunft ihrer Familie in Eissel hätten erzählen können, sind allesamt verstorben, sodass Günter Palm einzig die damaligen Kinder und Jugendlichen, heute betagte Menschen, als Zeitzeugen befragen konnte. Aber auch deren Erzählungen vermitteln einen nachhaltigen Eindruck von den Folgen von Flucht und Vertreibung für sie selbst und für die Örtlichkeit und die Verhältnisse in Eissel.
Der in nur kurzer Zeit erfolgte Bevölkerungszuwachs von etwa 45 % hatte tiefgreifende Veränderungen im dörflichen Zusammenleben zur Folge. Nicht nur die Unterbringung so vieler Menschen in dem kleinen Dorf, sondern auch die Bewältigung der schwierigen Ernährungslage, stellte nicht nur für den Bürgermeister und den im Herbst 1946 neu gewählten Gemeinderat, sondern auch für die Dorfbevölkerung eine kaum zu bewältigende Aufgabe dar, die nicht problemlos zu lösen war.
Auch in Eissel mit seinen tiefbäuerlichen Strukturen und Verhaltensmustern hatten die Einheimischen Zimmer in ihren Häusern für die Flüchtlinge zu räumen. Dies führte natürlich zu erheblichen Spannungen. Nach einer ersten Phase des Mitleids für die mittellosen Flüchtlinge, die zunächst
Hilfsbereitschaft hervorrief, wurden die Flüchtlinge und Vertriebenen zunehmend als Eindringlinge empfunden.
Die alten Akten des Kreiswohnungsamtes, im Kreisarchiv aufbewahrt, belegen eindringlich, dass es immer wieder zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen gekommen ist.
Für die Flüchtlinge und Vertriebenen war es schwer, Anschluss an das dörfliche Zusammenleben in Eissel zu finden, man blieb meist unter sich. Anders war dies bei den Kindern, die naturgemäß keine Vorbehalte untereinander hegten. Sie spielten einfach miteinander, wie es Kinder eben tun.
Besonders die einklassige Dorfschule stellte sich als Zentrum für die Integration in das Dorfleben von Eissel heraus.
Eissel blieb für die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen eine Zwischenstation in ihrem Leben. Nur wenige - meist durch Heirat - blieben im Dorf und wurden „Eisseler“.

Der Eintritt zum Vortrag im Alten Schulhaus Dauelsen ist frei.
Etwaige Spenden für Menschen aus der Ukraine sind sehr willkommen.

Veranstalter

Dokumentationszentrum Verden im 20. Jahrhundert e.V.

Datum

Donnerstag, 23. Juni 2022

Uhrzeit

18:00 Uhr bis 21:00 Uhr

Ort

Altes Schulhaus Dauelsen